
Dieses Küchengespräch drehte sich darum, woher der schweizerische (eigentlich: insgesamt süddeutschsprachige) Ausdruck «Grind» (für: Kopf) stammt, und ob er etwas mit der Ortschaft Grindelwald (Berner Oberland) zu tun habe.
Sofort wurde von lokalbetroffener Seite anekdotisch eingeworfen, dass Grindelwald so heisse, weil dort grosse «Grinde» – runde Felsen – herumlägen, woran sich wiederum die Frage knüpfte, ob diese Felsen ihren Namen von runden «Grinden», Köpfen, hätten. Also gleich drei Fragen:
- Woher stammt das Wort «Grind» für Kopf?
- Gibt es eine Wortbedeutung «Grind» für Felsen?
- Was hat das bzw. hat das was mit Grindelwald zu tun.
Das lässt sich etymologisch alles einigermassen klar benennen:
- Der «Grind» bezeichnete laut DWDS ursprünglich eine Art räudigen Ausschlag, der wohl oft am Kopf auftrat, mit Haarausfall einherging und deshalb auch als «Kopfgrind» bezeichnet wurde. Dies übertrug sich dann in abwertenden Kontexten auf den Kopf als «Grind», «mit Ausnahme von einigen Gebieten, wo das W[ort] nicht eben als anstössig gilt» (so das Schweizerische Idiotikon). Der krustige, schorfige, eben «grindige» Ausschlag hat seinen Namen wegen seiner krustigen Beschaffenheit dann wiederum von älteren Wortformen grint, grind, grand, grund etc., die alle ungefähr Kies, Sand oder zermahlene Steine bedeuten (vgl. englisch to grind).
- Diese Ursprungsbedeutung wiederum führt ziemlich direkt zu der Bedeutung von Grind als Felsen bzw. «Felskopf, -kuppe, -vorsprung, isolierter, kleiner Felsen» etc., wie zumindest das Schweizerische Idiotikon als Bedeutung 2 (Kopf) unter Punkt c verzeichnet. Ob da ein faktischer Zusammenhang zu dem Kies von oben besteht, dazu äussert sich z.B. das DWDS nicht. Das Idiotikon führt wunderbar aus:
«Viell[eicht] beruht auch die im Text an 2c angeschlossene Bed[eutung] ‘kahle Stelle’ auf der nämlichen Anschauung, möglicherweise auch diejenige des mit vereinzelten Grasbüscheln (wie der grindbehaftete Kopf mit einzelnen Haarbüscheln) besetzten Felsabhanges».
Schweizerisches Idiotikon: Grind
Immerhin ist die Anekdote von Grindelwalds Namensherkunft von den Felsköpfen her annähernd etymologisch begründbar. Wahrscheinlich ist sie aber falsch.
3. Grindelwald hat seinen Namen eher nicht von «Grind» genannten Felsen, wahrscheinlicher ist laut den einschlägigen Quellen eine Verbindung zum in Flurnamen hier und da anzutreffenden «Grindel» oder «Grendel», das einen Schlagbaum, Holzriegel oder Holzzaun bezeichnet, der etwas absperrt (s.u. Friedli 1908). Im Althochdeutschen schon als grintil, grintel, grindel usw. vorhanden, und in der Form «Grindel» scheint das laut Duden sogar noch ein (landschaftlich) heute in dieser Bedeutung gebrauchtes Wort zu sein. Who knew! Die Version, dass sich Grindelwald von Felsköpfen herleitet, wird, wie ich erfahren durfte, von einigen Einheimischen hartnäckig hochgehalten (mit Ausschmückungen, dass z.B. die Grindelwalder den Talboden hinaufzogen, um oberhalb von bestimmten «Grinden» aka Felsköpfen zu wohnen, falls diese herunterrollen sollten usw.), aber neben den Fachquellen präferiert sogar die kommerziell-lokalpatriotische Webseite Wir Grindelwalder die verbuchte grintil-Version. Und ausführlich dargestellt ist diese in einer frühen Quelle, nämlich: Friedli, Emanuel: Bärndütsch als Spiegel bernischen Volkstums. Zweiter Band: Grindelwald. Bern: Francke 1908, 192f.

Quellen:
Digitales Wörterbuch der Deutschen Sprache: Grind: https://www.dwds.de/wb/Grind
Digitales Wörterbuch der Deutschen Sprache: Grindel: https://www.dwds.de/wb/Grindel
Duden: Grindel: https://www.duden.de/rechtschreibung/Grindel
Friedli, Emanuel: Bärndütsch als Spiegel bernischen Volkstums. Zweiter Band: Grindelwald. Bern: Francke 1908, 192f.
Schweizerisches Idiotikon: Grind: https://digital.idiotikon.ch/idtkn/id2.htm#!page/20759/mode/1up
wir grindelwalder: https://www.wir-grindelwalder.ch/index.php?id=90